bookmark_borderMAUERSCHAUER

Wieder einmal haben Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident Joachim Gauck und – mit ein wenig Verspätung – auch Sie, sehr geehrter Herr Wolf Biermann, allergrößte Zivilcourage bewiesen und – aus aktuellem Anlass – das deutsche Volk vor der verbrecherischen, stalinistisch-kommunistischen SED-Nachfolge-Partei „Die Linke“ gewarnt. Unfassbar, nicht wahr, dass gleich mehrere Millionen Bundesbürger dieser Partei seit Jahren bei Wahlen ihre Stimme anvertrauen, wo diese doch noch immer – irgendwie – von Moskau aus ferngesteuert, also „reaktionär“ sei, wie Sie, Herr Biermann, glaubhaft versichern konnten?

Und wieder einmal ist es Ihnen gelungen, ohne sich selbst ins Rampenlicht (hier: der Gethsemane-Kirche bzw. dort: des Deutschen Bundestages) zu setzen (schließlich wurden Sie ja jeweils dorthin „gelockt“, wie Sie, Herr Biermann, es nannten), durch Ihre bedeutsamen Ausführungen nahe zu legen, dass es ohne solch mutige Bürgerrechtler, Freiheitskämpfer und zutiefst demokratische Revolutionäre, wie Sie es waren und immer geblieben sind, nie und nimmer zum Fall der Mauer, diesem historischen Ereignis, das sich in diesen Tagen zum 25. Mal jährt, gekommen wäre.

Natürlich wird es wieder einige so unverbesserliche wie unbelehrbare Zeit-Zeugen geben (-Genossen passt ja nicht so ganz, nicht wahr?), die daran erinnern, dass Sie, Herr Biermann, sich 2003 für den Irakkrieg der USA ,unter George W. Bush, aussprachen, in dem doch – wie immer in den Kriegen der USA – einzig und allein die Demokratie und die Freiheit der westlichen Welt verteidigt wurde, und dass Sie, Herr Biermann, die vielen deutschen Kriegsgegner als „Nationalpazifisten“ verhöhnten, oder dass, wie der SWR-Korrespondent in der DDR, Gerhard Rein, unterstützt vom Mitbegründer des „Neuen Forums“, Hans-Jochen Tschiche, schrieb, „ein politisches Engagement gegen den repressiven Staat“ durch Sie, Herr Bundespräsident, vor dem Oktober 1989 „nicht auszumachen“1 gewesen sei. All diese ewigen Nörgler sind eben nichts als Sympathisanten oder gar Wähler des „elenden Rests“, wie Sie, Herr Biermann, die im Bundestag vertretenen Abgeordneten der „Linken“ charakterisierten.

Oh ja, die „Reaktionäre“ von CDU, CSU und SPD, die Sie zum Gitarrenspiel eingeladen hatten, wussten selbstverständlich ganz genau, was sie außerdem (und gratis) von Ihnen erwarten durften, und natürlich durften Sie diese Erwartungen wirklich nicht enttäuschen.
Es bleibt uns allen also nur: Zu hoffen, dass Sie, sehr geehrte (Ex-)Bürgerrechtler, nicht müde werden, sondern wachsam bleiben und uns immer wieder in Erinnerung rufen, dass „der Schoß…“ (Sie wissen schon – das war zwar mal anders gemeint, aber egal, oder?), falls es denn tatsächlich dazu kommt, dass der „Wessi“, Bodo Ramelow, die ehemailge FDJ-Funktionärin, Christine Lieberknecht, als Thüringischer Ministerpräsident ablösen sollte, was Gott um Himmels Willen verhindern möge, sofern es ihn gibt und es ihm opportun erscheint.

1  „Tagesspiegel“ vom 24.2.2012

„DER MAUERSCHAUER

Schaut doch, wie schön! Es ist gerade Frieden hier im Hinterland, und darum kann ich das sagen….Aber warum fällt mir das Schönfinden heutzutage schwerer und schwerer?“

(Peter Handke: „Das Spiel vom Fragen“, S. 14, Frankfurt am Main 19902 Suhrkamp Verlag)

bookmark_borderBotschaften

Am Anfang war das Bild

als Schatten an der Höhlen-Wand

als Angesicht im Wasser-Spiegel

und gleich beim ersten Anblick: Täuschung!

 

Den Bildern folgen die Gesänge

verstummter Zauber ferner Klänge.

 

Auf Steinen zeigen frühe Meister

wortlos die Spuren jener Geister:

geheime Zeichen weiser Ahnen

die an ein ewig‘ Rätsel mahnen.

bookmark_border25 Jahre Deutsche Oktober-Revolution

Mit zutiefst empfundener Bewunderung und Ehrfurcht, sehr geehrter Herr Bundespräsident und hochgeschätzter Freiheits- und Widerstandskämpfer, habe ich Ihren so klug und, wie immer angemessen gewählten, ja: auch bewegenden Worten am 9. Oktober im Leipziger Gewandhaus, anlässlich des Festakts zur 25-jährigen Wiederkehr der friedlichen Revolution in der DDR gelauscht. Und sofort waren mir all die Bilder der Leipziger Montagsdemonstrationen vor Augen: Wie Sie, manchmal sogar an der Seite unserer Frau Bundeskanzlerin, nur mit brennenden Kerzen bewaffnet, sich in vorderster Reihe an die Spitze des aufbegehrenden Volkes der DDR wagten, stets mutig der Gefahr ins Auge schauend, wie viele andere Revolutionäre, verhaftet und viele Jahre eingesperrt zu werden.
Aber auch lange vor den Tagen des Oktobers und Novembers 1989 haben Sie sich tatkräftig für all die verfolgten Bürgerrechtler und / oder Schriftsteller wie Rudolf Bahro, Jürgen Fuchs oder Erich Loest eingesetzt. Auch wenn Sie dabei nicht immer erfolgreich waren, ist es Ihnen immerhin gelungen, eine Ausreise Ihrer Söhne durchzusetzen, die sogar als Besuch bei Ihnen in Rostock wieder einreisen durften.
Nein, Herr Bundespräsident, Sie gehören nicht zu den sog. „Wendehälsen“; denn auch nach der Wiedervereinigung haben Sie als Leiter der „Behörde für die Stasi-Unterlagen“ viele ehemalige Stasi-Mitarbeiter dort weiterbeschäftigt. Schließlich kannten die sich am allerbesten aus, was dann allerdings und leider von Wolf Biermann und Jürgen Fuchs kleinlich moniert wurde; ja sogar im Roman von letzterem zum Untertitel „Die Firma VEB Horch und Gauck“ (1999) führte.

 

Man kann es eben nicht immer allen recht machen. Wie sehr Sie dennoch unbeirrt für die Minderheiten unseres Landes eintreten, zeigten Sie ein weiteres Mal eindrucksvoll, als Sie den, v.a. von der linken Presse überall diffamierten Thilo Sarrazin für den Mut lobten, seine sozialdarwinistischen Thesen öffentlich zu propagieren. Loben möchte ich Sie zu guter Letzt nun auch noch einmal nachdrücklich dafür, dass Sie das größer und ökonomisch immer stärker gewordene Deutschland erst kürzlich dazu ermunterten, eine bedeutendere Rolle in der Welt – ja, auch: militärisch – anzustreben. Und wenn – im schlimmsten Fall – dann wieder Särge aus den Kriegsgebieten dieser Erde in die Bundesrepublik eingeflogen werden, weiß ich jedenfalls, dass Sie immer, wirklich immer die richtigen Worte finden werden, um unser aller zutiefst empfundenes Mitgefühl zu bekunden, nicht wahr?

 

„Man kann den Staat nicht hinter sich lassen, indem man ihn verlässt.“
Volker Braun: „Wir befinden uns soweit wohl. Wir sind erst einmal am Ende. Äußerungen“
Frankfurt / Main 1998 (Suhrkamp Verlag)

bookmark_borderSprachspiele

Beim Spiel mit der Sprache ist stets damit zu rechnen, dass die Sprache, als vorläufiges Resultat aller bisherigen Sprecher und Schreiber, durchaus aktiv mitspielt. Sie fordert schiefe Vergleiche heraus, verleitet zu unangemessenen Übertreibungen, mehr oder weniger gelungenen Zweideutigkeiten, mitunter sogar zu armselig-albernen Wortspielen (von Komikern wie Willy Astor) oder sie lässt Lügen (nicht nur von „Personen des öffentlichen Lebens“) allein schon anhand der Formulierung als solche erahnen. Die Sprache überzeugt eben auch – und nicht zuletzt – in ihrer Rolle als raffinierter Spielverderber.
Was heute richtig ist oder dafür gehalten wird, kann schon morgen falsch sein oder dafür gehalten werden. Und wenngleich diese Plattitüde längst jedem klar sein sollte (oder wenigstens könnte), wird das von Politikern jeglicher Couleur aktuell für richtig Gehaltene gern als die („alternativlos“) einzig mögliche Wahrheit verkündet,  welche die Verkündenden dann, selbstredend (also: sich selbst zuredend…) und um jedweden Zweifel schon im Voraus für unzulässig zu erklären, zusätzlich noch als ihre „feste Überzeugung“ ausgeben. Dass eine „feste Überzeugung“ weder etwas über den Wahrheitsgehalt noch über die Richtigkeit einer Behauptung auszusagen vermag, gerät angesichts der geradezu inflationären „festen Überzeugungen“ im politischen Tagesgeschäft zunehmend aus dem Blickfeld.

Und so kommt es, wie es kommen muss: dass ständig irgendwelche Politiker – mit jedem Recht auf Wahrhaftigkeit – als Lügner oder (Wahl)-Betrüger bezeichnet werden dürfen.

„Wir müssen erkennen, wie die Sprache für sich selbst sorgt.“

(Ludwig Wittgenstein: Tagebücher 1914 – 16, Hervorh. i. Orig.)

bookmark_borderFalschspieler

Im "Dokumentar"-Film (egal ob als Porträt, Bericht oder Reportage usw.) kommt, bis auf wenige Ausnahmen, die Realität vorwiegend als inszenierte zu Wort und Bild. Weder dokumentiert der Dokumentafilmer, noch filmt er (in der Regel). Inhalte, Protagonisten, Drehorte und Aufnahmestil (Einstellungen usw.) werden im Vorfeld (teilweise recherchiert von Co-Autoren, Praktikanten oder Aufnahmeleitern) bzw. unmittelbar vor Drehbeginn besprochen. Die Kamera zeigt dann, aus einer bestimmten Perspektive, was im jeweils gewählten Bildausschnitt sichtbar ist. Sie zeigt nie die Wirklichkeit, wie sie ist (oder zum Aufnahmezeitpunkt war) sondern eins von (unendlich?) vielen möglichen Abbildern. Auch die Realität des Bilder-Machens mit einer weiteren Kamera zu filmen, wie es inzwischen, v.a. bei FS-Interviews, Mode geworden ist, ändert daran nichts. Es entstehen immer nur Abbilder von Abbildern von Abbildern… usw.

Schnitt, Endbearbeitung und Vertonung komplettieren die, zwar objektiv notwendige, aber eben nicht als solche erkennbare Fälschung. Was also – mit falschem Etikett versehen – am Ende dem   (FS-)Publikum vorgeführt wird, ist die Vorspiegelung falscher Tatsachen im Wortsinn.

Was sich zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Ort ereignet oder geschieht, was also der Fall ist, lässt sich objektiv nicht darstellen. Die Wirklichkeit als eindeutige (und objektiv vermittelbare) Abfolge von Tatsachen existiert nur als (intersubjektive) Idee oder Vorstellung; in Wirklichkeit existiert die Wirklichkeit objektiv genauso wenig wie die Welt oder gar die Wahrheit.

Je ungeklärter (weil abstrakt und folglich vieldeutig) solche und ähnliche Begriffe wie  Freiheit, Glück, Vernunft oder Nachhaltigkeit notwendigerweise sind, desto irrealer, unbegreiflicher und unfassbarer werden sie – sehr zur Freude der vielen Verfasser öffentlicher Reden. Und im Handumdrehen entsteht daraus jederzeit und überall der Stoff, mit dem all die Dampf-Plauderer und Sonntagsredner glauben, ihre sinnentleerten Texte garnieren zu müssen.


"Sei selbst dein Trost." Hölderlin: "Hyperion"