bookmark_borderWirklichkeiten

„Nein, nicht wirklich“, sagte vorhin der Landrover-Fahrer beim Aussteigen in sein Handy und rückte sich den dunkelroten Seidenschal zurecht, den er – wie viele jener postmodern Uniformierten – als Lasso eng um den Hals geschlungen, trug.

Damit Einige deutlich über ihren Möglichkeiten leben können, wird alles Mögliche getan, um Viele unter ihren Möglichkeiten leben zu lassen. Es ist aber noch immer möglich, dass die Vielen dies wirklich ändern werden.

Die Gegenwart – so wird vermutet – dauere nur drei Sekunden. Sie ist also jetzt vorbei.

Ich bin nicht der „festen Überzeugung“, dass all jene, die sich tagtäglich rühmen, einer „festen Überzeugung“ zu sein, bereits lügen, bevor sie verlautbaren, um welche Überzeugung es sich diesmal handelt. Ich denke aber, dass die überzeugten – in der Regel – die gefährlicheren Täter sind.

Nur die Sehnsucht, die gelernt hat, ihre Unerfüllbarkeit zu ahnen, erfüllt das Leben mit dem Glanz des Kostbaren. Ein Leben kann nicht gelingen, aber es kann gelingen, zu leben – nicht fraglos, sondern fragend, also fragwürdig.

bookmark_borderNachtspiel

Die Unbeweisbarkeit dessen, was für besser oder schlechter gehalten wird, ist unabweisbar. Und es genügt bereits, nur ein wenig von außen an den Wänden und Kanten all der kleinen und großen Wertegebäude zu kratzen, um zu entdecken, wie schnell sie – bei Bedarf – wieder abgerissen werden können, abendländisch, morgenländisch…

Man könnte zu dem Schluss kommen, dass bereits alles gesagt sei. Gesagt ist damit jedoch nicht, dass fortan geschwiegen werden müsse.

Selbst das Spiel mit den Worten kennt Verlierer und Gewinner (und unterscheidet danach), wie alles Spielerische. Auch wer mit Papier und Bleistift spielt, möchte, dass es ihm gelingen möge. Es kommt nicht auf den Einsatz an, sondern darauf, die drohende Niederlage abzuwenden; und je drohender sie ist oder erscheinen mag, desto größer die Erleichterung, sie – gerade noch einmal – abgewendet zu haben.

bookmark_borderSchillers Urenkel

Der freie Lauf der Gedanken unterscheidet nicht nach guten oder schlechten Nachrichten, nach guten oder schlechten Taten; er entscheidet sich gegen jegliche Moral und für den Dialog.

In jener „Einsamkeit der Wälder“ mag die Vermutung entstehen, die Gedanken müssten – nicht zuletzt – auch deshalb frei sein, damit wenigstens im Geiste all die kleinen Gemeinheiten (oder gar Verbrechen) geplant und ausgemalt werden können, die, ausgeführt, verboten sind oder unter Strafandrohung stehen; meistens sogar beides?  Also: die Verteidigung „der Einsicht in die Notwendigkeit“ (Friedrich Engels)als Bedingung von Freiheit (und umgekehrt!)

Der Autist hat sich eingesperrt oder ist eingesperrt worden. Sein Schicksal, abgesehen davon, dass er als ein kranker Mensch gilt, taugt jedoch durchaus zum Spiegel für die Anderen, Gesunden. Sie müssten nur genau genug hineinschauen. Aber auch noch dafür zu sorgen, ist ihm nicht gegeben – in seinem Gefängnis.

Und natürlich kommt „zuerst das Fressen“. Die Moral, die das nicht wahr haben will, beherrscht bequem und satt das Jammertal.

bookmark_borderNachtnotiz 7

Die Nacht – sie kann auch Ort sein, Zufluchtsort unstillbarer Sehnsucht – utopisches Verlangen nach dem unvergleichlichen, wenigstens Ewigkeit vortäuschenden, Augenblick.

Jedem Anfang wohnt ein Ende inne – der Zauber täuscht nur darüber hinweg; hierfür ist er geschaffen und immer wieder neu erfunden worden: als Zauberkunst, der Kunst der Täuschung, der scheinbaren Verwandlung, der (Vor-)Spiegelung.

Beschreibe gefälligst, was da ist und wie es (dir) geschieht. Gefalle (dir) wenigstens darin, nicht gefällig sein zu wollen. Wiederhole nicht(s), sondern finde wieder! Also: „Geh zu jenen. die dich nötig haben!“ Rahel Varnhagen

„Raucher sterben früher“ steht auf der Zigarettenpackung. Doch genauso gut könnte darauf stehen: „Raucher sterben später“. Denn beide Aussagen sind innerhalb der Logik von Raum und Zeit nicht beweisbar, also sinnlos.

„Die Zahlen“, so heißt es, „sprechen eine andere Sprache.“ Es ist eine Sprache, in der nichts erzählt werden kann und die, gedankenlos, nichts zu erzählen hat. Und so scheitert die Vermessung der Welt Tag für Tag am Unberechenbaren.