Nachtstille

Die Stille ist aktiv. Sie empfängt nicht nur; sie macht auch empfänglich. Und sie ist – nicht zuletzt – Voraussetzung, um darüber nachdenken zu können, was sie eigentlich sei.

Die Wort-Laute selbst, nicht nur die Wörter innerhalb ihrer Wortfelder, erzeugen Gefühle. Der Wortlaut, auch dieser hier, führt hingegen nur vor, wie das „Läutende“ zum Schweigen gebracht wurde, um eine gewisse Ordnung herzustellen. „Immer wieder musst du ganz zurück.“ (Bettina Hirschberg)

Nachtangst

In der Nacht erschrak ein Kind, zum ersten Mal. Im Hof ergriffen kleine Hände dunkelrote Kirschen, und kein Garten breitete sich aus zwischen den Nachbarn. Ein Wolkenschauer lag seitlich auf der Mauer, folgte wieder und wieder dem hohen Abendflug der Schwalben und wusste von seiner Bedeutung. Spät wurde es oft, im Straßenversteck hinter Bäumen. – Aber du wolltest gefunden werden? – Ja, das war der Sinn all unserer Spiele. – Und die gütige, alte Frau, die noch  heute in deinen Träumen weiterlebt? – Sie saß Tag und Nacht an ihrer Nähmaschine in der Küche. Es hieß: wer dort sitzt, hat immerhin zu tun. Manchmal schlief sie, über die Arbeit gebeugt, auch ein.

Vom Fall der Gefallenen

Mit „großer Betroffenheit und tiefem Mitgefühl für die Angehörigen“ gefallen sich jene, die vom Krieg nichts wissen wollten, nun darin, die Gefallenen zu betrauern, die von ihnen dorthin geschickt wurden und werden, wo der Krieg tagtäglich der Fall ist. Ach, könnten die Gefallenen doch aufstehen und berichten, dass sie tatsächlich getötet wurden und nicht so einfach mal fielen. Aber, das ist natürlich nicht möglich, und so bleibt es bei der Lüge vom Verteidigungsfall für die Freiheit, für die es sich schon noch lohnen würde, zu fallen.

Wirklichkeiten

„Nein, nicht wirklich“, sagte vorhin der Landrover-Fahrer beim Aussteigen in sein Handy und rückte sich den dunkelroten Seidenschal zurecht, den er – wie viele jener postmodern Uniformierten – als Lasso eng um den Hals geschlungen, trug.

Damit Einige deutlich über ihren Möglichkeiten leben können, wird alles Mögliche getan, um Viele unter ihren Möglichkeiten leben zu lassen. Es ist aber noch immer möglich, dass die Vielen dies wirklich ändern werden.

Die Gegenwart – so wird vermutet – dauere nur drei Sekunden. Sie ist also jetzt vorbei.

Ich bin nicht der „festen Überzeugung“, dass all jene, die sich tagtäglich rühmen, einer „festen Überzeugung“ zu sein, bereits lügen, bevor sie verlautbaren, um welche Überzeugung es sich diesmal handelt. Ich denke aber, dass die überzeugten – in der Regel – die gefährlicheren Täter sind.

Nur die Sehnsucht, die gelernt hat, ihre Unerfüllbarkeit zu ahnen, erfüllt das Leben mit dem Glanz des Kostbaren. Ein Leben kann nicht gelingen, aber es kann gelingen, zu leben – nicht fraglos, sondern fragend, also fragwürdig.

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