bookmark_borderLogische Nacht(Grenzen)

Dass etwas möglich ist, schließt ja nicht aus, dass es nie eintreffen wird. Was also möglich war, kann – rückblickend –  nicht mehr möglich (geworden) sein; und umgekehrt: was unmöglich schien, geschah doch. Die vergehende Zeit erst setzt die Logik (nachträglich) in Gang, der Verstand sie, wie es ihm gefällt , außer Kraft. Wenn alles möglich ist, so schließt dies – logisch – auch die Möglichkeit ein, dass eben nicht alles möglich ist.

Unsere Sprache „erlaubt“ solche und ähnliche, paradoxe Formulierungen: „Ich gebe dir mein Wort, dass ich jedes dir von mir gegebene Wort brechen werde.“ Alle Bemühungen, diese, nach dem Muster des „Ur-Paradoxons“ des Epimenides (der lügenden Kreter) gebildeten, widerspruchsvollen Sätze sprachlogisch oder mathematisch aufzulösen, müssen bislang damit leben, letzten Endes in sich selbst nicht widerspruchsfrei zu sein, oder sein zu können?!

Und so kann es geschehen, dass die Sucher und Erfinder nicht immer alles restlos verstehen, was sich ereignet, wenn ihre Beobachtung das Verhalten des zu Beobachtenden verändert… (Die Quantenphysik und ihre Konsequenzen sind geradezu exemplarisch für das Denken an den Grenzen, auch denen der Sprache und „ihrer“ Logik.)

Es scheint an der Zeit, dass nicht nur Mathematik und Logik sondern WIR, DIE SPRECHENDEN, DIE SPRACHE als durchaus lebhaftes und „lebendiges Wesen“ behandeln, mit dem Recht auf ein widersprüchliches Eigenleben, wie jedes andere Lebewesen auch, um schließlich dahin zu gelangen, das Fehlen unwiderruflicher Wahrheiten besser zu ertragen.

Das Zerbrechliche ist unzerstörbar; es trägt die Zerstörung bereits als Möglichkeit in sich.

bookmark_borderUnter uns

Nächtliche Fehler-Suche

Ein Fehler existiert nur für den, der ihn auch einzusehen vermag – worauf, trotz der tagtäglich hohen Fehlerquote insgesamt, keinerlei Rücksicht genommen wird. Wer den Fehler bei jemand anderen feststellt, sieht sich auf der Seite der Wahrheit oder wenigstens als Anwalt des Regelgerechten. Doch auch dies ist nur einer der vielen, scheinbar unvermeidbaren Fehler. Fehler haben einen schlechten Ruf, werden angestrichen, geahndet, bestraft, sogar verurteilt. Während des Schreibens dieser  Zeilen habe ich ein paar unterschiedliche Schreibfehler korrigieren müssen. Und fast jede Korrektur führte zu mehr Klarheit in der Formulierung. Fehler haben zu Unrecht einen schlechten Ruf.

Wer (seit der Kindheit) einen Sprach-Fehler (?) hat und stottert, bemüht sich (oft ein Leben lang und in der Regel vergeblich), den Fehler zu vermeiden oder wenigstens zu verstecken. Aber ist es überhaupt ein Fehler, nicht so zu sprechen, wie es die meisten Anderen tun? Und wie sprechen die „meisten Anderen“ in Rosenheim, Köln oder Kreuzberg? Ist ein Stottern im Schriftdeutsch weniger fehlerhaft als ein solches im Dialekt?

Unter uns…

Gehen wir, um nicht stehn zu bleiben.

Ruhen wir aus, um nicht zu stürzen.

Reden wir, um uns mitzuteilen,

was der Fall ist, unter uns.

Fragen wir, um des Fragens willen.

Schweigen wir, um uns zu erkennen.

Gehen wir also gemeinsam, ein Stück des Wegs.

bookmark_borderNächtliche Umwege

Nur, falls du es vergessen haben solltest: Es gab sie, diese Stunden, diese Tage, in denen du das Leben fiebernd bei dir hattest und jedes Wort, an dich gerichtet, glücklich war – voller Schmerz nur, weil du immer dachtest, dass die Tat dem Wort nicht folgen kann.

 Die Wege lerne kennen,

auf die der Zufall dich gelockt.

Dass (mir) alle bleiben, die schon längst und lange fort sind, weiß ich immerhin solange, bis ich selbst nicht mehr bleiben darf.

Der Eigensinn, den ich meinem Leben zu geben versuche, ist verschieden von dem, den das Leben mir nahe legt. Und immer ist es eine bizarre, zerbrechliche Konstruktion, die dabei für kurze Zeit entsteht, weil wichtige Teile fehlen und andere nicht zusammen-passen – kein Haus, um dauerhaft darin zu wohnen!

Von all den Wahrheiten und all den Wirklichkeiten, die sie begründet haben mögen, bleibt mir am Ende nur: meine Wahrheit, die mir die Wirklichkeit so beschreibt, dass ich damit leben kann. Wenden wir uns also den bedeutenden Dingen zu, indem wir sie uns deuten. Ein Leben reicht dazu nicht aus – na und?

Ist es (nicht) furchtbar, dass etwas „furchtbar schön“ genannt werden kann?

bookmark_borderNacht-Wandler

Alles Weitere wird sich finden, wenn du das Weite suchst. Wenn ich mir – wann immer – dieses „du“ zurufe, gelingt es wenigstens einen Moment lang, mit einem distanzierten Blick „von oben“, etwas Abstand vom Dahinströmen der Gedanken zu gewinnen.

Wahrheit ist (so vielleicht) möglich, unter der Bedingung, dass du aufgibst, sie ein für alle Male zu behaupten oder verkünden zu wollen und sie jedenfalls nicht und niemals denen zugestehst, die sich gestatten, gleich die „ganze Wahrheit“ auszusprechen.

Warum wird so manchem leidenschaftlichen Suchen der Süchtigen eil-fertig die Flucht aus der Realität in die Krankheit attestiert, statt sie nach der Beschaffenheit des Wegs zu fragen oder gar selbst Auskunft zu geben? Wer sich widersetzt, lernt wieder Sätze denken, die notwendig sind. Wer widersteht, lernt wieder stehen.

Bedenke also: du bist immer Teil der Wirklichkeit, die du (ohne dies jeweils bewusst zu erleben) zu sehen glaubst; und so ist nicht einmal dein Sehen – an und für sich – wahrhaftig. Das Leben bleibt verborgen genug, um Glücksmöglichkeit zu sein, wie Epikur es sich dachte.

bookmark_borderIrrlichter

Das sentimentale, wohlfeile und -gefällige Gerede von der in diesem und jenem Kunstwerk (un)sichtbaren, spürbaren, jedenfalls zum Ausdruck gebrachten Erinnerung an die „Vergänglichkeit allen Seins“ war schon immer nichts als eine glatte Lüge; genauso wenig kann eine Frage im „Raum stehen“ oder „etwas aus dem Nichts“ kommen. Nichts ist vergänglich und erst recht nicht die Lüge, ob als Täuschung oder irrlichternd, wie die Musen sangen: „Wir verstehen uns darauf, viele Lügen zu sagen.“ Was vergeht, ist nur das, was wir Zeit nennen; keine Kunst, die davon nichts wüsste…

Und jetzt, am Nachmittag dieses Sommers, ist von hier aus zu sehen und zu hören, wie sich ein paar, noch kraftvoll grüne Blätter vom benachbarten Baum lösen, dann sehr langsam, windbewegt, zu Boden trudeln und mit nie zuvor gehörtem Rascheln sicher landen. Still ist es auf einmal, mitten in der Stadt.

Wer gesund werden will, muss Stille um sich versammeln. Es ist der Lärm der Welt, in jeder Bedeutung oder Spielart, der krank macht. Kranke können nichts (mehr) beitragen zur Veränderung der Welt.